Neue Prioritäten: Örtliche Polizei gibt u.U. Blitzerstandorte nicht mehr preis
Über einen Artikel in der Rheinischen Post erfuhren wir von einem neuen Erlass zu Geschwindigkeitskontrollen. Bisher regelte ein Erlass aus 2013, dass Behörden und Kommunen tagesaktuelle Blitzerstandorte veröffentlichen sollen (!).
Seit Anfang 2024 gibt es einen neuen Erlass, der die Polizeibehörden von dieser Verpflichtung befreit. Dieser Erlass liegt uns leider noch nicht im Wortlaut vor, haben diesen aber angefordert. Die Erlasse liefern umfangreiche Begründungen mit und spannend ist der genaue Regelungsinhalt.
Die ersten Polizeibehörden haben angekündigt künftig auf die Veröffentlichung zu verzichten. Im Bergischen wird es keine Veröffentlichungen mehr durch die Polizei geben. Köln wird dem Beispiel dagegen bis auf Weiteres nicht folgen.
Nach einer Anfrage durch das Solinger Tageblatt werden die Städte Wuppertal und Solingen - bis auf Weiteres - die Standorte weiter veröffentlichen. Remscheid hingegen veröffentlicht nicht.
Unabhängig von dem entstehenden Flickenteppich ist es aber bemerkenswert, dass sich hier ein Paradigmenwechsel abzeichnet. Diesen halten wir nur für konsequent, denn es ist Niemandem zu erklären, dass Blitzer-Apps verboten sind, aber Blitzerstandorte durch Behörden weiterhin veröffentlicht werden.
Es schwingt bei den Diskussionen immer das Argument mit, Behörden wollten der Wegelagerei entgegentreten und die Ankündigungen würden die gefahrene Geschwindigkeit wenigstens an den angekündigten Stellen reduzieren. Da ja nie vollständig alle Standorte verkündet werden, würde sich auch die Geschwindigkeit in anderen Lokalitäten positiv beeinflussen lassen.
Wir halten diese Argumentation für schlicht abenteuerlich und wird den vielen Verkehrstoten und Verletzten nicht gerecht. Wir verdeutlichen dies einmal anhand der Infobox
Der Anhalteweg
Der Anhalteweg, also der Weg den ein Auto bis zum Stillstand zurücklegt ist, setzt sich aus dem Reaktionsweg und Bremsweg zusammen
Anhalteweg = Reaktionsweg + Bremsweg
Dabei verlängert sich der Anhalteweg nicht linear mit der Geschwindigkeit, sondern überproportional.
Der Reaktionsweg:
Der Reaktionsweg ist der Weg, den man innerhalb einer Reaktionszeit, man nimmt 1 Sekunde als realistisch an, zurücklegt. Die Geschwindigkeit wird in km/h gemessen. 1 Stunde hat dabei 3600 Sekunden.
Wer 50 kmh fährt, legt in einer Sekunde knaopp 14 Meter zurück (50/3,6).
Wer 30 kmh fährt, legt in einer Sekunde etwas mehr als 8 Meter zurück (30/3,6).
Die Reaktionsgeschwindigkeit folgt dabei Erfahrungswerte und ist mit einer Sekunde ein realistischer Wert, zumindest dann wenn der Fahrer nicht abgelenkt ist von Smartphone o.ä. Der Reaktionsweg verlängert sich proportional zur Geschwindkeitszunahme.
Der Bremsweg
Die ist beim Bremsweg anders. Diesem liegt die Formel zugrunde
Bremsweg = (Geschwindigkeit/10)2
Wer jetzt 50 km/h fährt, legt noch einmal 25 Meter bis zum vollständigen Stillstand zurück.
Wer 30 kmh fährt, legt in einer Sekunde nur 9 Meter zurück.
Der Grund für die überproprotionale Zunahme des Bremsweges im Vergleich zur Geschwindigkeitszunahme liegt Bewegungsenergie. Sie muss vernichtet werden, damit in unserem Beispiel das Auto zum Stehen kommt. Sie erhöht sich im gleichen Maße zur Geschwindigkeitszunahme.
Die absolute Höhe an Bremswege ist dabei abhängig von:
- Witterungsbedingungen
- Konstistutuion des Fahrers
- Reifenprofil
- Straßenzustand
Wer eine Notbremsung schon durchgeführt hat, also die Brempedale plötzlich ganz durchdrückt, kann den Bremsweg auf die Hälfte also auf 25 oder 4,5 Meter verkürzen.
Unabhängig von den eben genannten Faktoren bleibt aber die überproportionale Zunahme des Bremsweges, da der konkrete Opel Kadett Fahrer sowohl bei 30 als auch mit 50 über die gleiche Verfassung verfügt, die gleichen Reifen nutzt etc.
Der Anhalteweg
Bei 30kmh beträgt der Anhalteweg bei einer Vollbremsung 12,5 Meter, bei 50kmh 40 Meter.
Nehmen wir also an eine ungeschützter Fussgänger oder ein Radfahrer befindet sich in 13 Metern Entfernung, dann vermeidet mit 30kmh ein Autofahrer eine Berührung und es kommt nicht zum Unfall.
Bei 50kmh reicht die Reakionszeit schon nicht aus und der PKW fährt ungebremst in die Person mit voller Wucht. Dieser Unfall ist mit Sicherheit tödlich oder mit schweren Verletzungen einhergehend.
Selbst wenn die Person nur 4 Meter entfernt steht: dann kann zwar der Autofahrer mit 30 auch schon nicht mehr bremsen, die Wucht des Aufpralles ist aber überproportional milder als mit 50kmh.
Ein positiver Einfluss auf die Fließgeschwindigkeit im Allgemeinen durch die Ankündigungen ist bis dato nicht belegt. Die Ankündigungen bagatellisieren aus unserer Sicht die Vergehen. Vielfach wird die von Behörden angeordnete Höchstgeschwindigkeit von den Verkehrsteilnehmern aber als "Mindestgeschwindigkeit" missverstanden.
Wer sich in 30er Zonen oder in der Stadt an Tempo 50 hält, wird nicht selten bedrängt, angehupt oder überholt.
Wir hoffen, dass die Kommunen Wuppertal und Solingen noch einlenken und auch in den Radioanstalten Diskussionen um den (Un)sinn der Blitzermeldungen führen.
Das Solinger Tageblatt hat sich jedenfalls schnell mit dem Thema auseinandergesetzt und Pro/Contra Kommentare erstellt, dabei erhielt die Contra Position auf Facebook deutlich mehr Likes für die Position es künftig sein zu lassen.
Sobald uns der Erlass vorliegt, werden wir diesen hier auch verlinken.