Neue Bauordnung NRW: An Neubauten entstehen Fahrradabstellanlagen

In jüngster Zeit werden immer mehr Bauvorhaben publik, an denen Fahrradabstellanlagen in nennenswerten Umfang entstehen. Wir erläutern die Hintergründe.

Am Klinikum Solingen entsteht ein neues Parkhaus und Fahrradabstellplätze werden mit eingeplant. An der Parkstraße in Solingen Ohligs plant ein Investor einen Neubau und über 100 Fahrradabstellplätze. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Woran liegt das?

Novelle der Bauordnung NRW 2018

Ganz freiwillig sind die neuen Anlagen nicht, sie beruhen auf einer umfangreichen Novelle der Bauordnung aus dem Jahr 2018. Dort wurde das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung ermächtigt, landesweit per Rechtsverordnung Anzahl und Beschaffenheit von Stellplätzen zu regeln. Die entsprechende Rechtsverordnung, die "Stellplatz Verordnung NRW", trat dann 2022 in Kraft.

Kommunen können über die Regelungen hinaus gehen und eigene Stellplatzsatzungen erstellen, die dann für alle Bauvorhaben in einer Kommune einheitlich gelten. Solingen und Wuppertal haben bis dato keine solche Satzung erlassen.

Die neuen Vorgaben sind im Juli 2022 in Kraft getreten, sodass auch Bauwerke aus der jüngsten Vergangenheit noch nicht unter die neuen Vorgaben fallen mussten.

In Solingen hat der ADFC zwar bei größeren Vorhaben wie dem Neubauprojekt Greeen mit 99 Eigentumswohnungen in Wald oder beim Q-Quartier mit 16 Häusern auf dem ehemaligen Olbogelände am Ohligser Markt bereits im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zu den Bauvorhaben Einfluss genommen und auf Fahrradabstellanlagen bestanden. Ein Selbstläufer war das aber nicht und die qualitative Umsetzung ist auch - vorsichtig gesagt - durchwachsen.

Was steht in der Stellplatzsatzung?

In der Anlage zur Stellplatzsatzung, die wir hier auch verlinkt haben, findet sich eine Auflistung vorzuhaltender Fahrradstellplätze je Mieteinheit bzw. je Gewerbefläche. 

In der Stellplatz Verordnung (§8) selbst sind aber auch wichtige Vorgaben enthalten. Die notwendigen Stellplätze müssen

  • ebenerdig, verkehrssicher und leicht erreichbar sein.

  • einzeln leicht zugänglich sein,

  • eine Sicherung gegen Diebstahl ermöglichen und

  • eine Fläche von mindestens 1,5 Quadratmetern je Stellplatz haben.

Darüber hinaus wird bei mehr als zehn notwendigen Stellplätzen für Fahrräder eine Überdachung empfohlen
Jeder elfte notwendige Stellplatz muss durch eine zusätzliche Fläche von mindestens 1,5 Quadratmetern zum Abstellen von Kinder- oder Lastenanhängern geeignet sein.

Von der Herstellungspflicht der Stellplätze für Fahrräder darf nur in eng begründeten Ausnahmen abgewichen werden. Generell darf sich ein Bauherr hier nicht durch Zahlung einer Ablösesumme "freikaufen".

Zudem gilt für Fahrradabstellanlagen, dass diese maximal 100m vom Baugrundstück entfernt entstehen dürfen. Für KfZ beträgt diese Entfernung 300m (Wohngebäude) und 500m bei anderen Gebäuden.  

Bernhard Stoer, Vorsitzender des ADFC Wuppertal / Solingen:

Wir begrüßen die Novelle und freuen uns auf die Umsetzung. Wir werden darauf achten, dass die Vorgaben eingehalten werden.

Wir stellen aber auch in Diskussionen fest, dass es noch einer Lernkurve bei Architekten, Bauherren und den Verwaltungen bedarf. 

Im Bergischen ist es zudem sinnvoll - und auch im Sinne der Investoren - , wenn darauf Wert gelegt wird, das wenigstens bei Fahrradabstellanlagen für Wohngebäude auch auf Stromanschlüsse geachtet wird, um Pedelecs über Nacht aufzuladen. Kaum ein Nutzer wird über Nacht den Akku aus dem Rad ausbauen. Zum einen lässt sich nicht aus allen Rädern der Akku entnehmen und zum anderen ist es sicher für die Mechanik nicht förderlich, wenn der Akku laufend entnommen wird.

Für Gewerbeimmobilien mit hohen Kundenandrang sind Lademöglichkeiten heutzutage nicht mehr so wichtig und die Anlagen müssen vor allem leicht zugänglich und die Räder schnell abschließbar sein. Für die eigenen Mitarbeiter, deren Räder locker über mehr als 8 Stunden an Ort und Stelle verbleiben, ist dagegen der Diebstahlschutz von größerem Interesse. Dies erfordert eine entsprechende Erfahrung und Fingerspitzengefühl der Architekten. 

Der im Gesetz genannte Stellplatzbedarf von nur 1,5 qm je Lastenrad/Kinderrad reicht allerdings nicht. Die heute üblichen Longjohn Räder sind 2m und länger. Der Platzbedarf beträgt daher eher 2,5qm bis 3qm. Der Stellplatz soll ja auch noch zugänglich sein. Insbesondere hierfür sind Stromanschlüsse sinnvoll. Kaum ein Lastenrad kommt heute noch ohne E-Motor aus. 

 

Umsetzung:

Nach den neuen qualitativen Vorgaben werden erst noch Bauvorhaben fertiggestellt. Daher gilt es noch Erfahrungen zu sammeln und für eine Bewertung ist es noch zu früh. Die Stellplatz-Verordnung gilt dabei nur für Neubauten oder aufwendigere Umbauten, die genehmigungspflichtig sind. 

Anbei seht Ihr ein paar Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, die noch nicht unter die neue Stellplatz-Verordnung fallen: 

Der erste Fall betrifft das Olbogelände in Solingen Ohligs:

Abstellanlagen innen auf dem Olbogelände in Ohligs

Die Bilder zeigen Abstellanlagen noch kurz vor der Gesetzesnovelle. Der Bauherr hatte den Bau von 600 Stellplätzen, zwei je Mieteinheit zugesichert.

Die Stellplätze sind ebenerdig - TG oder an der Oberfläche - zugänglich. Die Stellplätze in der Tiefgarage sind größtenteils eigene Abstellräume mit hinter sich zufallenden Türen. In den Abstellräumen gibt es aber keine Sicherungsmöglichkeit mehr an z.B. Anlehnbügeln. Die Fahrräder stehen mehr oder weniger wild durcheinander. Die nicht vorhandenen Anlehnbügel sparen natürlich Platz und formal mag man die Vorgaben von 600 Stellplätzen einhalten, doch zufriedenstellend ist das nicht

An Pedelec - Lademöglichkeiten mangelt es ebenfalls. Ärgerlich, denn der Bau verfügt über keine Aufzüge zu den Wohnungen.

Die Außenstellplätze sind zumindest für Besucher gut gelungen und eher schon zu reichlich vorhanden.

 

 

Der zweite Fall betrifft Fahrrad-Abstellanlagen an zwei Supermärkten in Solingen. Das Bild oben zeigt ein negatives Beispiel an der Friedensstraße mit sensationellem "Felgenkiller"-Modell, zu geringem seitlichen Abstand und zu geringem Abstand von der Glasfront.  

Im Bild unten aber auch ein positives Beispiel einer Supermarktkette an der Focher Straße mit besser geeigneten Fahrradständern und einer Überdachung.

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