DeinRadschloss am SG Hbf - Ein Erfahrungsbericht und kritische Einordnung
Wir präsentieren einen Erfahrungsbericht zur DeinRadschloss Anlage am Hbf in Solingen Ost, welcher auch auf andere Sammelabstellanlagen anwendbar ist.
Seit 23. September ist in Solingen die erste sichere Abstellanlage vom Anbieter DeinRadschloss in Funktion. Sie steht am Hauptbahnhof - Ostseite - am Ende der Sauerbreystraße in Solingen. Wir haben die Abstellanlage für Euch ausprobiert. Die Stellplatzbuchung - ist bis auf ein paar Kleinigkeiten im Buchungsprozess - recht simpel und man kommt schnell zum Ziel.
Die Buchung als Gelegenheitsnutzer ist beim ersten Mal noch etwas ungewohnt, geht aber beim zweiten Mal schon schneller und man entdeckt, dass man nicht nur PIN und Stellplatznummer zum Öffnen des Schlosses per Mail erhält, sondern auch im Nutzerkonto online unter “aktiven Buchungen” aufrufen kann.
Auch praktisch, bei der ersten Buchung, muss man die Anlage noch unter Standorten suchen, kann sich die Anlage aber als Favorit anlegen. Dies erleichtert die nächste Buchung.
Im Benutzerkonto gibt es die Möglichkeit den Mailversand der Zugangsdaten zu unterbinden. Es reicht dann nach einer Stellplatzbuchung unter die “aktiven Buchungen” die Zugangsdaten einzusehen.
Es ist für die Buchung im Übrigen nicht nötig ein gültiges Bahnticket oder VRR Chipkarte o.ä. zu besitzen. Die Buchung ist hiervon völlig unabhängig.
Wer für morgen einen Stellplatz sucht, kann entweder kurz vor 0:00 den Stellplatz für einen Tag buchen oder kann heute den Stellplatz für einen Tag buchen und die Buchung verlängern. Die Verlängerungsoption ist regelhaft bereits ab ca. 12:00 des Vortages aktiv.
Zur Buchung benötigt man keine App und muss keine fragwürdigen Datenzugriffe freigeben. Die Hinterlegung eines Zahlungsmittels ist derzeit auch nicht standardmäßig möglich. Die Bezahlung ist mittels Lastschriftverfahren, Kreditkarte oder Paypal Konto möglich. Das Ganze firmiert unter Paypal Plus, ein Paypal Konto ist dennoch nicht notwendig. Datenschutzrechtlich ist das zwar klasse, aber bei häufigeren Buchungen etwas unpraktisch. Die Buchungsplattform kommt einem zudem etwas altbacken vor, muss einen aber nicht von der Nutzung abhalten.
Wer mehrere Stellplätze benötigt, kann einfach mehrere Stellplätze für eine Buchung hinzufügen, muss dies nur nacheinander erledigen und bezahlt dann einmalig.
Die Stellplätze sind für rund 15 Minuten aktiv zur Buchung für andere gesperrt. In der Zeit muss die Buchung abgeschlossen werden.
Wer mit einem handelsüblichen Kindersitz ankommt, muss den bei der unteren Ebene vorher abbauen und separat abstellen. Wer sein Rad in die obere Ebene einstellt, muss nur auf die Gewichtsbeschränkung achten. Diese liegt laut Hersteller bei 25kg Gesamtgewicht je Führungsschiene.
Das fehlende Dach stört im ersten Moment nicht - an schönen Tagen -, bedeutet aber, dass ein am Rad deponierter Helm über den Tag nass werden kann bzw. wenn man bei Regen das Rad abstellt, man eben auch wenig Freude beim Abschließen hat.
Wer sein Fahrrad dort einstellt, muss sich auch bewusst sein, dass es sich nicht um eine bewachte Anlage handelt und somit das Fahrrad nicht durch den Betreiber gegen Diebstahl versichert ist. Das Rad sollte so oder so angeschlossen sein und achtet darauf, dass die Tür ins Schloss fällt und verriegelt. Mit einer eigenen Fahrradversicherung ist man auf der sicheren Seite. Wer nur eine Hausratversicherung hat, sollte den Versicherungsumfang genau prüfen und muss sich bewusst sein, dass das fehlende Dach auch bedeutet, dass es kein abgeschlossener Raum ist. Die Anlage ist zudem kein Fahrradkeller - der sich in der Regel in unmittelbarer Nähe der eigenen Wohnung befindet.
Zum Buchungsprozeß und wie nutze ich die Anlage vor Ort?
- Registrierung: Zunächst muss man bei Deinradschloss.de registriert sein. Die Registrierung kann man bequem am Smartphone, Tablet oder PC online durchführen. Die Registrierung dauert nicht lange und schon kann man loslegen.
- Stellplatzbuchung: Einen Stellplatz bucht man ebenfalls über die Webseite Deinradschloss.de und sucht zunächst nach dem Standort. Nach der ersten Buchung kann - bzw. man sollte - die Anlage als Favorit anlegen.
- Erst wählt man den Standort "Solingen Hbf Ost", dann wählt man den Stellplatz, die Dauer (1 Tag bis 1 Jahr sind je nach Stellplatz möglich), und klickt sich bis zur Bezahlung durch.
- Der Buchungsprozess ist mit mehrmaligem Bestätigen der Bestellung - die AGB und die Hinweise zu den Stellplätzen sind mit jedem Stellplatzbuchung neu zu bestätigen - etwas umständlicher als nötig, aber es funktioniert und ist nur beim ersten Mal gewöhnungsbedürftig. Der Anbieter teilte uns mit, dass man weiter an der Optimierung des Buchungsprozesses arbeite und unsere Anmerkungen mit einfließen lässt.
- Die Zugangsdaten erhält man per Mail, kann diese aber auch online einsehen. Man erhält zunächst eine Mail mit den Zugangsdaten, dann eine Rechnungsmail und ggf. noch direkt hinterher eine dritte mit der Option zur Verlängerung der Buchung. Die Zugangsdaten sind auch online einsehbar unter dem Reiter “MeinRadschloss” und dann unter “Meine aktiven Buchungen”.
- Vor Ort reichen die Eingabe der Stellplatznummer und PIN. Der QR-Code ist derzeit für Solingen nutzlos. Die Eingabe der Zugangsdaten vor Ort ist einfach und das Display wechselt nach Eingabe der Stellplatznummer schnell in den PIN-Eingabe Modus.
- Es surrt kurz und man die Tür zur Anlage öffnen - nein die Tür kommt einem nicht automatisch entgegen.
- Innen schiebt man das Rad dann in eine der Führungsschienen, schließt das Rad ab und geht wieder durch die Tür. Es ist ratsam zu warten, bis die Tür zufällt. Dies dauert etwas. Die Tür verriegelt dann wieder. Bei Nutzung der oberen Ebene klappt einem eine Führungsschiene im 45 Grad Winkel entgegen. Das Rad muss dann in die Führungsschien mit dem anliegenden Winkel von hinten hineingeschoben werden. Das ist nicht für Jeden etwas. Auf der unteren Ebene sollte man nichts auf dem Rücken haben und auf den Kopf achten. Das Anschließen ist hier etwas fummelig. Beim ersten Mal also ruhig etwas Zeit mitbringen, um sich mit der Anlage vertraut zu machen!
- Pedelecs bis 25kg können auch in die obere Ebene eingestellt werden. Die Informationen dazu in den FAQ von DeinRadschloss.de sind dazu leider nicht ganz eindeutig. Diese Information haben wir direkt vom Hersteller der Anlage erhalten. Neben der Doppelstockanlage gibt keine weiteren Anlehnbügel. Am Ende der Anlage ist zwar Platz und ein Geländer zum Anschließen vorhanden, aber der Platz ist Lastenrädern vorbehalten. Wer die obere Ebene nutzen will, für den haben wir ein Video (ab Minute 2:53)
- Cool, ist an sich der Ladeschrank, den man nicht nur zum Aufladen des Akkus verwenden, sondern auch zum Deponieren von Gegenständen wie Helm o.ä. nutzen. Die Nutzung ist kostenlos. Die Fächer sind zudem unterschiedlich groß geschnitten. Für die Nutzung kann man sich vor Ort entscheiden. Die Nutzung ist unkompliziert und erfolgt mittels Touchpads und einer frei konfigurierbaren PIN am Terminal. ABER: Ohne Ladegerät ist ein Fach nutzlos, die Vergabe einer PIN und das Abschließen des Faches ist dann nicht möglich.
Die Anlage ist jetzt schon zu mehr als 50% ausgelastet – trotz fehlendem Dach. Derzeit wirkt die Anlage aber noch wenig genutzt. Vielleicht liegt es daran, dass sich Einige bereits für Frühjahr einen Platz sichern wollten und die 70 Euro Jahresmiete direkt investiert haben.
Fazit:
Nicht nur für Dauernutzer ist die Anlage eine feine Sache, auch Gelegenheitsnutzer kommen auf ihre Kosten. Ein Teil (8 von 32) der Plätze ist dabei nur Nutzern vorbehalten, die maximal tage/wochenweise buchen. Wer sichergehen will, dass er auf der unteren Ebene einen Platz findet, kann die Buchung auch vor Ort mit dem Smartphone vornehmen, nachdem man in die Anlage hineingeschaut hat. Planbar z.B. für einen Musicalabend in Köln ist das dann aber nicht.
Die Idee eines Ladeschrankes ist ein nettes Gimmick, der einem bei Bedarf auch zum Abstellen einer Tasche oder Helmes dienen kann. Das kann sehr hilfreich sein, auch weil die Fächer unterschiedlich groß sind. Allerdings kann nur bei angeschlossenem Ladegerät das genutzte Fach auch mit einer frei konfigurierbaren PIN gesichert werden. Ob es viele Nutzer geben wird, die den Ladeschrank als solchen nutzen, wird sich zeigen. Wir schätzen eher nein und fürchten sogar eine Nutzung gen Null. Der Grund ist, die meisten heute neu verbauten Akkus sind Intube-Akkus. Der Aus/Einbau - wenn der Akku nicht sogar fest verbaut ist - ist mühselig und Ladegeräte sind auch nicht gerade handlich. Es sollte aber möglich sein, den Ladeschrank per Software-Update auch ohne angeschlossenem Ladegerät - womöglich dann auch ganz ohne PIN - nutzbar zu machen. Denkbar ist, dass man seinen Helm, eine Warnweste o.ä. dort verstaut. Wir lassen uns aber gerne eines Besseren belehren.
Praktisch ist auch zudem die Möglichkeit - wenn man als Familie unterwegs ist - mehrere Stellplätze zu buchen.
Kritische Anmerkungen / Diskussionsbeitrag:
Schade ist, dass eine temporäre Freigabe der Stellplätze bei Nichtnutzung derzeit nicht möglich ist. 70 Euro - was nebenbei bemerkt aktuell deutlich mehr als ein Anwohnerparkausweis ist - sind als Jahresmiete nicht viel. Nutzer die bereit sind, das zu zahlen, belegen ganzjährig 24/7 einen Stellplatz. Der Stellplatz ist dann auch in Urlauben oder - wenn man im Winter nicht fährt - schlicht belegt und nicht für Dritte buchbar. Angesichts dessen, dass die (sichere) Stellplätze Mangelware sind, sehen wir bei der Buchungsplattform noch Luft nach oben. Der Buchungsprozess ist auch in Teilen etwas umständlicher als er sein muss, hierzu haben wir aber schon Signale erhalten, hier nachzubessern.
Doppelstockanlagen sparen Platz, keine Frage. Wir waren auch skeptisch, ob die Anlage nur auf dem Papier 32 Stellplätze bietet, ein Teil der Plätze aber nicht nutzbar sind. Das Einstellen eines Rades in die untere Ebene ist tatsächlich etwas fummelig. Die Abstände zwischen den Rädern erscheinen auf den ersten Blick als zu gering, um das Rad bequem an volleren Tagen abzustellen. Doch jeder zweite Führungsschiene ist in der Horizontalen versetzt, so dass sich die Lenker nicht in die Quere kommen. In der oberen Ebene können die meisten gebräuchlichen Räder und Pedelecs eingestellt werden und es gibt gute Fixierpunkte zum Anschließen des Rades an der Anlage. Die Doppelstockanlage in Solingen bietet daher auf begrenzter Fläche ein hohes Maß an Nutzwert und alle Plätze sind in der Praxis nutzbar.
Leider geht mit dem Ausbau des Bahnhofsvorplatzes nicht weiter voran. Die Fahrräder, die sich um diverse Schildermasten an der Sauerbreystraße schmiegen, zeigen: es fehlen auch dringend kostenlose Abstellmöglichkeiten, wie die mit dem Umbau eingeplanten Anlehnbügel, im öffentlichen Raum.
Eine Videoüberwachung der Anlage - die Tür schließt ggf. auch mal nicht richtig - und die Verifizierung der Nutzerschaft mittels Video-Identverfahren wären sicher für die Nutzung von Sammelgaragen oder -anlagen noch vertrauensbildende Maßnahmen für die Nutzer. Es heißt nicht umsonst: “Gelegenheit macht Diebe”.
Aus unserer Sicht bleibt - und darauf deuten die außerhalb der Anlage weiter abgestellten Räder im öffentlichen Raum hin, eine große Angebotslücke an sicheren, sowie auch an kostenlosen Abstellmöglichkeiten weiter bestehen. Die Zahl der bahnhofsnahen Stellplätze sehen wir als viel zu klein dimensioniert an gegenüber der Einwohnerzahl von 160 T EW und der zentralen Bedeutung des Umstiegspunktes am Hbf. Die DeinRadschloss Anlage ist bereits jetzt nach kurzer Zeit zu mehr als 50% ausgebucht, auch wenn der Blick in die Anlage selbst suggeriert, die Anlage sei am Bedarf vorbei gebaut. Acht Stellplätze sind dabei immer als Puffer für Gelegenheitsnutzer vorgesehen und eine 100% Auslastung schon daher nur schwer erreichbar. Die aktuelle Buchungssituation ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt,
- dass die Anlage noch nicht lange auf dem “Markt” ist,
- es auf den Winter zugeht, einer Jahreszeit in der doch einige das Rad ins Winterquartier verlegen und
- es noch kein Dach gibt.
Ein Nutzer schrieb uns bereits von einer ärgerlichen Betriebsstörung auf einen Freitagabend, die dazu führte nicht ans Rad zu kommen. Wir hoffen, dass es sich nur um einen Einzelfall bzw. Kinderkrankheiten einer neuen Anlage handelt und nur selten auftritt. Immerhin war damit das Fahrrad sicher! Die Hotline des Betreibers soll auf eine Behebung frühestmöglich zum Montag verwiesen haben. Das sollte durch ein Notfallteam vrr-weit schneller gehen, immerhin gibt es nicht umsonst die Hotline. Nach einem Selbstversuch war zumindest am Sonntag schon eine Stellplatzbuchung möglich und das Abstellen vor Ort ebenso. Gerade DeinRadschloss mit den unzähligen Anlagen im VRR-Gebiet sollten in der Lage sein einen Notdienst - anders als eine Kommune oder anderer privater Betreiber zu organisieren.
Zu guter Letzt: diese Anlage hier ist ideal nahe des Gleises zur S1 entstanden, es handelt sich um einen zentralen Umstiegspunkt einer 160T Einwohnerstadt und wir sind sicher, dass die Anlage bald sehr gut ausgelastet ist. DeinRadschloß ist allerdings kein Garant, dass weitere Anlage in Solingen genauso gut funktionieren. DeinRadschloss Anlagen sind meist sehr gut ausgelastet, aber keineswegs immer.
Eine hohe Auslastung gerade von Anlagen mit ausschließlich Fahrradboxen, weisen dabei darauf hin, dass der Bedarf größer als das Angebot ist.
Eine niedrige Auslastung kann mit einer unattraktiven Lage und unattraktiven Laufwegen zu tun haben oder der Bedarf nach kostenpflichtigen Angeboten ist gering.
Wir weisen deshalb darauf hin, weil die Anlagen - es kommt auch immer auf den Anlagentyp an - nicht mal eben der Nachfrage entsprechend erweiterbar sind, sich städtebaulich auch einpassen müssen und gerade eine klamme Kommune sehen müssen, dass die Anlagen nicht an der Nachfrage vorbei entstehen. DeinRadschloss bedient mit der Lage der Anlagen v.a. die Zielgruppe Pendler und ÖPNV-Nutzer.
Für Anwohner oder als Anlagen in der Innenstadt bedarf es anderer Lösungen. Sicherlich ist dies auch ein Grund, weswegen Düsseldorf eigene Anlagen mit einer eigenen Gesellschaft plant und betreibt und die Anlagen von DeinRadschloß ergänzt. Düsseldorf nutzt hierbei geschickt die vielfältigen Förderprogramme aus.